Das seit 1. Januar 2023 bundesweit geltende Gerichtsdolmetschergesetz (GDolmG) ist stark mängelbehaftet und bedarf dringend einer umfassenden und gerechteren Neufassung.
Am 1. Januar 2023 trat das neue bundesweit gültige Gerichtsdolmetschergesetz (GDolmG) in Kraft. Justiz ist Ländersache, der Bundestag hat das umstrittene Gesetz in einem „Omnibusverfahren“ als Paket mit anderen Gesetzen verabschiedet. Der Bundesrat hat zwar bemängelt, dass der Bundestag nicht zuständig sei, das Gesetz aber trotzdem bestätigt. Die Bundesländer müssen die Vorgaben nun in ihren Landesjustizgesetzen und -verordnungen umsetzen. Der diesbezüglich schon vorher vorhandene Flickenteppich ist nun noch schlimmer, da die Bundesländer sehr unterschiedlich damit umgehen.
Viele freiberuflich tätige Dolmetscher*innen und Übersetzer*innen sind teilweise bereits seit Jahrzehnten für die (Justiz-)Behörden im Einsatz. Sie haben langjährige Berufspraxis und wurden nach den seinerzeit geltenden gesetzlichen Vorgaben beeidigt und ermächtigt. Es kann ja nicht sein, dass die seinerzeit unbefristet erteilten Beeidigungen und Ermächtigungen rückwirkend für ungültig erklärt und die erfahrenen Dolmetscher*innen und Übersetzer*innen ihre Beeidigungen und Ermächtigungen nun in einem aufwendigen Verfahren nach den neuen Vorgaben gemäß GDolmG neu beantragen müssen. Es ist für einige Sprachen gar nicht möglich, solche Nachweise zu erbringen, da viele Bundesländer schlicht weder Vorbereitungskurse anbieten noch sprachliche Prüfungsämter für das Ablegen einer staatlichen Prüfung zum Übersetzer und / oder Dolmetscher bzw. zur Übersetzerin und/oder Dolmetscherin vorhalten.
Es gibt keinen sachlichen Grund, weswegen für Sprachmittler*innen über diese sachgrundlose Befristung eine unbillige Härte in der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit eingeführt werden soll. Dies schränkt die Sprachmittler*innen in ihrer Berufsausübung unrechtmäßig ein. Man befristet ja auch nicht die Gültigkeit anderer Berufsabschlüsse, beispielsweise die Abschlussprüfung einer / eines Verwaltungsfachangestellten oder die Zulassung einer / eines Rechtsanwältin / Rechtsanwalts. Die rückwirkende Befristung einer bereits bestehenden Beeidigung / Ermächtigung verschärft die Lage sogar. Die Rechtmäßigkeit einer solchen rückwirkenden Befristung wird angezweifelt.
Die Deutsche Gebärdensprache ist in der Bundesrepublik Deutschland politisch seit 2002 als eigenständige und vollwertige Sprache anerkannt. Die Deutsche Gebärdensprache ist den gesprochenen Sprachen in jeder Hinsicht ebenbürtig, sie folgt einer komplexen eigenständigen Struktur und Grammatik und muss wie jede andere (Fremd-)Sprache erlernt werden. Gebärdensprachdolmetscher sind absolut gleichwertig mit Lautsprachendolmetschern. Es gibt keinerlei Anlass, Gebärdensprachdolmetscher anders oder schlechter zu behandeln als „andere“ Sprachmittler. (Mehr Infos zu Gebärdensprache.)
Da die Bundesländer die Kompetenz in Sachen Justiz haben, sollten sie ihre Ländergesetze harmonisieren und vereinfachen. Es ist ja auf EU-Ebene nicht vermittelbar, dass es allein in der Bundesrepublik Deutschland inzwischen 17 verschiedene Gesetze gibt, die die Vorgaben zur Berufsausübung für Sprachmittler*innen (Dolmetscher*innen / Übersetzer*innen) regeln. Das seit 1. Januar 2023 geltende und bundesweit ananwendbare Gerichtsdolmetschergesetz (GDolmG) ist in seiner jetzigen Form stark mängelbehaftet und bedarf dringend der grundlegenden Neugestaltung. Die sehr große Mehrheit der Sprachmittlerverbände ist sich hier einig, auch und gerade was die oben aufgeführten Punkte 1 bis 3 angeht. So unterliegen zum Beispiel die in Hamburg bereits vereidigten Dolmetscher*innen und ermächtigten Übersetzer*innen dem Bestandsschutz und brauchen keine Befristung ihrer Zulassung (Beeidigung / Ermächtigung) zu befürchten (außer wenn sie ausdrücklich die Vereidigung als Gerichtsdolmetscher*innen anstreben). Für die Sprachmittler*innen in Niedersachsen sieht die Lage leider komplett anders aus; sie verlieren ohne Grund nun bereits zum 2. Mal innerhalb von zehn Jahren ihre seinerzeit jeweils unbefristet erteilte Beeidigung als Dolmetscher*in bzw. Ermächtigung als Übersetzer*in. Das ist untragbar.
Der Beschluss kam auf Betreiben von betroffenen Dolmetschern und Übersetzern zustande, die in der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di organisiert sind. Der Antrag durchlief zuvor bereits verschiedene Gremien, angefangen bei der Bundesfachgruppenkonferenz im Februar, die das Thema im Mai an die Bundesfachbereichskonferenz weitergereicht hat. Diese hat das Thema wiederum in den Bundeskongress eingebracht, der nur alle vier Jahre stattfindet.
ver.di entstand 2001 durch Zusammenschluss von fünf Einzelgewerkschaften und ist Mitglied im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Mit etwa 1,9 Millionen Mitgliedern ist sie nach der IG Metall die zweitgrößte deutsche Gewerkschaft.
Auch der Literaturübersetzerverband VdÜ ist Teil von ver.di. Der Berufsverband ist seit 1954 ein eingetragener Verein und seit 1974 als „Bundessparte Übersetzer“ in den Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller eingebunden, der wiederum Teil der Gewerkschaft ver.di innerhalb des DGB ist.